" I c h   w u s s t e   n i c h t s   v o n   d e r   A k z e p t a n z . . . "

 


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D e r   E i n d r u c k   t ä u s c h t :  
H i n t e r   d e n   s t e c h e n d e n   A u g e n   v o n  A l e x a n d e r   R a d s z u n  
v e r b i r g t   s i c h   e i n   s e n s i b l e r ,  w i d e r s p r ü c h l i c h e r   M a n n .

 

 
   

"Der hat ja tatsächlich solche Augen", war die spontane, einhellige Reaktion beim Blick auf die Fotos von Alexander Radszun. Dieser tief liegende,  fast diabolisch anmutende Blick ist das Markenzeichen des Schauspielers,


das ihm in seiner  Rolle als Killer von St. Pauli im Sat 1- Sechsteiler der  "König von St. Pauli" so besonders dienlich war. Selten wie nie schien hier die Devise "wenn Blicke töten könnten" kein Konjunktiv.

  Die Augen sind wirklich faszinierend. Und ein völliger Widerspruch zum Rest. Sehr höflich, sehr bescheiden, fast zögerlich ist der Mensch Radszun. Ein schmaler Mann, dem offenbar jede Protzpose abgeht. Auch wenn er inzwischen ein bekannter Schauspieler ist - allerdings einer mit Gesicht, ohne Namen. "Ich kenne Sie aus dem Fernsehen, wie heißen Sie noch?" ist ein haüfig gehörter Satz.

  Radszun, das sz gesprochen wie sch, ist kein eingängiger Klang. Schon sein Schauspiellehrer riet, er solle sich schlicht Radun nennen. Wäre leichter zu merken. Sicher. Aber kein Argument. Weniger wegen der ostpreußischen Vorfahren, vielmehr weil es mit Identität zu tun hat. Und auch schützt. Der  45jährige Berliner - Kreuzberger - ist alles andere als ein Kumpel - Typ. Die Vorstellung, jemand hier im Café Einstein könnte ihm auf die Schulter schlagen und so etwas sagen wie "Sie waren ja ganz schön fies", nein, die ist undenkbar. Alexander Radszun ist kein Star. Eher ein feiner, suchender Charakter. Deshalb waren es nicht nur die Augen, die die Rolle des Mörders so geprägt haben. "Ich muss an der Figur, die ich spiele, eine Seite erkennen, die ich verteidigen kann", erklärt der Vater einer 14 jährigen Tochter sein Rollenverständnis. Beim St.-Pauli-Mörder war es der seelische Schmerz der die Wut auslöste. "Die Hölle durch die die Seele gehen muss", ist ihm durchaus vertraut. "Ich interessiere mich für Deformationen, weil es immer auch etwas mit verhinderter Liebe zu tun hat."

  Irgendwo muss ein Schalter sein. Fast plötzlich bekommt der Blick eine fast bedrohliche Intensität, die Pupillen scheinen dann noch größer als ohnehin schon, ist der Rand, der eben noch grün schimmerte, jetzt gelb? Im nächsten Augenblick kehrt Frieden ein,  als würde sich alles beruhigt hinter das schützende Vordach der vorstehenden  Augenbrauen zurückziehen. "Klar kann ich auch lieb gucken", lächelt Radszun. "Wenn ich entspannt bin." Was für ihn nicht einfach ist. Er fremdelt. Auch beim Drehen, zumindest am Anfang. "Ich muss mich dann besinnen auf das, was ich will und nicht der Prüfungssituation auf den Leim gehen. Man kann nur gut sei, wenn man an das Zentrum der eigenen Identität rührt."

  Als er zwölf war sprach er auf Initiative des Vaters am Schillertheater vor. Die suchten für ein Zwei-Mann-Stück mit Martin Held den passenden Jungen. Die Wahl fiel ohne Einschränkungen auf das zarte blonde Kind, das sich natürlich gut fühlte. "Ich war mir vorher bewusst, dass ich eine starke Ausdruckskraft habe. Aber ich wusste nichts von der Akzeptanz." Dass es eine künstlerische und eine schulische geben könnte, war ihm wohl auch nicht klar. "Nein", sagte der Direktor des Gymnasiums. "Meine Kinder sind hier, um Abitur zu machen." Trotz aller Interventionen des Schiller-Theaters, trotz aller Kompromissangebote in Bezug auf Probe und Spielzeiten, blieb es beim Ultimatum. Der Zwölfjährige entschied sich für eine Kerbe auf der Seele und das Abitur und war sicher, was er werden würde.

Dabei zieht er den Film der Bühne vor. Weil er so gern ganz unterschiedliche, tiefgründige, merkwürdige, mysteriöse Typen spielen mag. Ein bisschen ist er das auch im wahren Leben. Wer würde schon vermuten, dass dieser leise, nachdenkliche Mann wahnsinnig gern in tosende Techno-Clubs geht.

Inga Griese 1998